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ARTIKEL Warum Gott keinen Thron braucht

Warum Gott keinen Thron braucht!

Adaptiert nach einem Vortrag von Mushin
im Serenity-Haus – 29. Februar 2004


Bisher war das Lehrer Schülerverhältnis in spirituellen Gemeinschaften oder ähnlichen Zusammenhängen zumeist mehr oder weniger einseitig. Der Lehrer wusste und lebte 'es' und die Schüler lebten und wussten 'es' nicht. Der Lehrer war der König und die Schüler formten den Hofstaat.

Ich habe mit diesem Modell nichts am Hut. Ich halte es für „Old Age“ und für überholt. In der Wirklichkeit, in der ich lebe, lernt der spirituelle Lehrer auch von seinen Schülern. Er hat natürlich mehr Erfahrung auf dem spirituellen Weg und davon können die Schüler lernen, aber auch sie haben häufig Erfahrungen, von denen der Lehrer profitieren kann. Es ist wie eine Möbius-Schlaufe: ein unendliches Band in beide Richtungen.
Natürlich weiß ich auch, dass es in der Lehrer-Schüler-Beziehung vor allem um das geht, was jenseits von Worten, Schriften, Gedanken und Formen ist. Ich werde das im Zusammenhang dieses Artikels die heilige Flamme nennen – womit ich das, was man für gewöhnlich Erleuchtung, Befreiung, Erwachen und so weiter nennt, meine. Kein spiritueller Lehrer kann die heilige Flamme weitergeben, egal wie gern er das auch täte. Er kann nur in und mit diesem Feuer brennen. Diese Flamme trägt sich selbst weiter und wenn die Zeit dafür reif ist, entzündet sie die Seele des Schülers. Bis es so weit ist, geraten sie bisweilen für einen Moment oder eine weile in Brand, aber dieses Feuer verlöscht wieder, weil sich die Seele noch nicht entzündet hat.
Die Übertragung des heiligen Feuers ist der eigentliche Grund für die Lehrer-Schüler-Beziehung und daran ändert sich was mich betrifft gar nichts. Ich brenne und bisweilen geraten die Menschen um mich herum in Brand, insbesondere meine Schüler, weil sie mir gegenüber besonders offen sind. Diese Übertragung findet statt, egal in welchem Kontext sie geschieht – wie bei einem ganz normalen Feuer ist fast alles Brennstoff... Flammen sind nicht wählerisch. Allerdings war dieser Kontext bisher fast überall feudalistisch und ist es noch heute: eine Struktur, die eigentlich nicht mehr in unsere Zeit passt.
Es ist Zeit für eine Revolution im Himmel. Gott ist schon längst von seinem Thron gestiegen und braucht ihn nicht mehr. Gott benötigt auch keine Verbeugungen. Das heißt natürlich nicht, dass Verneigungen als natürliche Geste des Herzens, als authentische Bewegung jetzt überholt wären. Denn wenn sich ein Gefühl tiefer Dankbarkeit in uns regt, ist meist die Verneigung vor Gott oder vor unserem Lehrer die einzig passende Art, es zu äußern. Aber dazu ist weder ein Thron noch eine feudalistische Struktur nötig. Der König hat abgedankt und der Hofstaat ist arbeitslos…

Der feudalistischen Struktur spiritueller Gemeinschaften liegt die Erkenntnis zugrunde, dass das Ego Bescheidenheit und Demut lernen muss, bevor sich die Seele überhaupt am heiligen Feuer entzünden kann. Ein fettes Ego, ein hochmütiger oder überheblicher Mensch hat nicht die geringste Chance, einen Funken inneren Lichtes zu erfahren. Er ist so voll von sich selbst, so von sich eingenommen oder auch angewidert; jedenfalls so mit sich selbst beschäftigt, dass kein Fünkchen von 'etwas anderem' mehr hinein passt. Und zu hören zu bekommen: „Du musst dich fügen, gehorchen und dienen,“ ist für solch ein Ego und auch die meisten anderen ziemlich erniedrigend. Das Ego erniedrigen, das Ego brechen, es los zu werden: In einer feudalistischen Struktur erhält jeder, außer der Spitze der Pyramide, viele Lektionen in Demut und das ist, wie es sein soll. Bescheidenheit und Demut sind absolut notwendig, aber man kann dies vielleicht auch anders lernen.
Die Revolution, von der ich spreche, macht die althergebrachte Erniedrigung des Egos überflüssig und bringt ihm dennoch die nötige Demut bei. Diese Gewissheit entnehme ich der konkreten Erfahrung, die ich immer und immer wieder mache. Nicht nur die feudalistisch strukturierte Folgsamkeit dem Lehrer gegenüber, sondern auch die Liebe und der Respekt des Lehrers für den Schüler machen dessen Ego bescheidener und gemahnen ihn zur Demut – sofern dieses natürlich nicht mehr gänzlich in der normalen neurotischen Weltsicht gefangen ist, sondern bereits erste Schritte auf dem Weg getan hat. Harte Brocken brauchen harte Nussknacker: Für solche Menschen ist die feudalistische Struktur sicherlich auch weiterhin hervorragend geeignet. Aber die meisten spirituell bewegten Menschen heute haben den groben Panzer bereits abgelegt – oder ihn nie angelegt. Sie können die Demut auch in einem anderen Kontext als die passende innere Haltung erkennen.
Liebe und Respekt machen bescheiden, weil gut und böse, oder richtig und falsch, keine Rolle spielen. Liebe und Respekt sind nicht an solcherlei Urteilen interessiert. Das Ego hingegen interessiert sich brennend dafür. Es braucht eine Berechtigung oder Rechtfertigung für alles und es will Anerkennung; aber Liebe und Respekt bieten diese Anerkennung nicht. Im Gegenteil, sie unterminieren die Egostruktur. Liebe lässt den Egopanzer schmelzen. All die Neigungen, sich zu isolieren, abzukapseln, zu betäuben, zu rechtfertigen usw. tauchen vielleicht auf, wenn man mit jemandem zusammen ist, der einen bedingungsfrei liebt, aber sie werden nicht unterstützt - im Gegenteil, ihr hässliches Gesicht ist offenbar und man möchte all das schnellstmöglich loswerden, damit man dort verweilen kann, wo die bedingungsfreie Liebe zuhause ist... der Egopanzer schmilzt.

Darum bewirkt Liebe die Revolution, von der hier die Rede ist.
Mal angenommen, einer meiner Schüler ist böse oder gar wütend auf mich, weil ich irgendetwas gesagt oder getan habe, was seine Gefühle oder Überzeugungen verletzt. In einer feudalistischen Struktur ist jede Kritik am König Majestätsbeleidigung und wird entsprechend unterdrückt oder sanktioniert. Der Schüler würde seine Wut entweder runterschlucken oder unterdrücken, oder er würde eine Breitseite abbekommen für die Frechheit, sie zu äußern. In der feudalistischen Struktur wird das Ego aktiv erniedrigt und gebrochen.
In einem von Liebe und Respekt getragenen Kontext sage ich jedoch einfach (laut oder durch meine Haltung): „Ich sehe deine Wut… und liebe dich auch weiterhin.“ Denn in Liebe und Respekt darf alles genau so sein, wie es ist. Mit diesen Energien konfrontiert muss das Ego entweder schmelzen oder sich – wenn es denn soviel Gegenwehr aufbringen kann – zurückziehen. Und wenn der Schüler beschließen sollte sich zurückzuziehen, um seine Wunden zu lecken oder um einen Groll zu hegen - ich respektiere das ohne Wenn und Aber, egal was meine Gefühle sonst noch sagen - dann kann er auch jederzeit wieder zu Vorschein kommen, schließlich kann er sich ja meiner Liebe und meines Respekts sicher sein. Da schmilzt das Ego ein wenig und wird bescheidener, denn es kann sich ja nicht an seinem Widerstand festmachen; in Liebe und Respekt ist dieser nämlich nicht weiter von belang.
Respekt heißt, die Würde des Anderen zu achten, egal wie es um sein Ego steht. Wenn ich dir mit Respekt begegne, dann wird deine Seele, egal was du von mir halten magst, dies wahrnehmen. Das wird es dir schwer machen, mich auf die Verhaltensweisen oder Dinge, die ich gesagt oder getan habe, zu reduzieren. Du wirst nicht umhin kommen, die Liebe in mir wahrzunehmen und dies anzuerkennen und sei es auch nur in deinem dunklen Kämmerlein.

Eine Volksweisheit lautet: In Liebe und Krieg ist alles erlaubt. Für den Krieg gilt das ganz eindeutig: Wer die Waffen hat, kann sich alles erlauben. Aber dass in der Liebe alles erlaubt ist, liegt nicht so auf der Hand, weil Liebe meist mit Romantik verwechselt wird, also mit ihrer Hollywood-Version. In dieser Version von 'Liebe' ist nur erlaubt, was Geigen in den Himmel hängt und das Gefühl duseln lässt. Aber so wie ich es wahrnehme, bewirkt Liebe in Wirklichkeit ein gefühltes, vollmundiges, bedingungsfreies Ja zu allem, was der Fall ist und zu jedem, der zugegen ist, und zwar ganz genau so, wie er oder sie ist.
Die Grundstruktur des Ego, diese sich alles aneignende Eigenschaft unserer selbst, ist das Gegenstück zur Liebe. Das Ego versucht die Liebe in den Griff zu bekommen und handzahm zu machen, wie alles andere auch – daher die romantische Hollywood-Version, die nichts als domestizierte Liebe ist, die fast alle Natürlichkeit verloren hat. Als ego-gelenkte Person hat man deshalb nur begrenzte und einengende Beziehungen, in denen relativ wenig sein und geschehen darf.
Aber von Liebe gesteuerte Menschen kennen keine Grenzen; bewegt von dieser Liebe sagt man nicht: „Ich liebe dich nur, solange du dich so oder so verhältst.“ Liebe stellt keine Bedingungen. Oder würdest du zu deinem Vater, deiner Mutter oder deinem Kind sagen: „Ich liebe dich nur, wenn du lieb, nett und freundlich bist.“ Das klingt ziemlich absurd finde ich, auch wenn ich durchaus weiß, dass viele Menschen nur bedingte Liebe kennen und es daher anzunehmen ist, dass sie so etwas sagen oder meinen. Und dennoch ist die bedingungsfreie Liebe auch in diesen Menschen angelegt. Sie ist nur fehlgeleitet oder der Mensch verwirrt und verstrickt – verwickelt in sein Leiden.
(Das gehört zu dem, was wir seit Bert Hellinger zweifelsfrei wissen können. Zu den wirklich erschütternden Tatsachen von Familienkonstellationen gehört ja unter anderem, dass man eindeutig erkennen kann, dass sogar da, wo Väter ihre Töchter oder Mütter ihre Söhne missbrauchen, echte Liebe vorhanden ist. Es ist unfair und verletzt eigentlich alles, was wir für richtig halten: nämlich auch bei Missbrauch erkennen zu müssen, dass Liebe im Spiel ist, allerdings in extrem verdrehter Form. Liebe ist schließlich nichts Romantisches sondern vielmehr mit einer Naturgewalt vergleichbar.)

Die bedingungsfreie Liebe führt aus meiner Sicht unausweichlich zu der Revolution, von der ich spreche. Wenn ich die Bibel richtig verstehe, hat bereits Jesus diese Revolution mit seinen Jüngern gelebt. Er saß sicherlich nicht auf einem Thron und wurde auch nicht von seinen Jüngern angehimmelt. Er war wohl vielmehr primus inter pares: Der Erste unter seinesgleichen, also unter denen, die ihm gleich waren. Das spiegelt sich in den Bildern vom Letzten Abendmahl, wo alle um einen Tisch sitzen und es sich bei Essen und Trinken gut gehen lassen. Ihm wurden also nicht die Füße geküsst oder Blumenkränze um den Hals gelegt, wie das bei fernöstlichen Gurus der Fall ist oder bei solchen, die diese Struktur nachahmen .
Die Revolution, von der ich spreche, ist also nicht so neu. Es geht nach wie vor um das Gleiche, worum es auf dem spirituellen Weg schon immer gegangen ist. Wenn Deine Seele entflammt ist, wenn du 'erleuchtet' oder 'erwacht' bist; wenn das heilige Feuer in deiner Seele gezündet hat, wirst du zum Brandherd. Dann werden andere dieses Feuer von dir wollen – das ist ganz natürlich; das war schon immer so. Und man hat auch keine Wahl, das Feuer weiterzugeben oder nicht, denn egal was du auch tust, du brennst. Aber man hat eine Wahl hinsichtlich der Struktur, in der die Übertragung der heiligen Flamme geschieht, auch wenn so mancher spiritueller Lehrer sich dieser Freiheit nicht bewusst ist.

In der feudalistischen Struktur ist der Lehrer oder Meister fertig; er hat erreicht, was es zu erreichen gibt. Das äußert sich dann in Gestalt der spirituellen Königschaft und das wiederum zieht vor allem solche Schüler an, die dereinst selbst König sein wollen. Deshalb musste ein Schüler, dessen Seele in dieser Struktur entflammte, zumeist seinen Lehrer verlassen und irgendwo ein eigenes Feuerchen legen, denn es ist schließlich unmöglich, König neben einem König zu sein. Aber wenn wir diese Revolution leben, können alle entflammen, ohne dass irgendjemand woanders hinmuss, um selber einen Brandherd zu legen. Wir können auch weiterhin in Liebe mit einander verbunden sein und einander geben und von einander nehmen – und einen wahren Flächenbrand entfachen. Es ändert sich also im Grund nichts, ob einer brennt und die anderen wärmen sich zunächst an seinem Feuer oder ob manche oder viele entflammt sind. Das Zusammensein und der Austausch werden getragen von Liebe und Respekt.

Ein wenig verallgemeinernd könnte man vom spirituellen Weg sagen: Der Eine befindet sich bei Meilenstein 5, ein Anderer bei 10, der Nächste ist bei 15 usw.. Die feudalistische Struktur beruht auf der Überzeugung, dass derjenige bei Meilenstein 15 höher steht als der bei Nummer 5. Die Revolution hingegen beruht im Kern auf der Entdeckung, dass beide auf dem gleichen Weg sind – und auf der Wahrnehmung, dass dieser kein endgültiges Ziel hat. Der wohlbekannte Spruch: „Alle Wege führen nach Rom,“ ist kompletter Unsinn.
Alle Wege führen überall hin.

Der spirituelle Weg hat kein Endziel, das mystische Unterfangen keine "Endlösung"; es also ist unsinnig zu behaupten, irgendeiner sei weiter als irgendein anderer, was natürlich nicht bedeutet, dass man von anderen, die den Weg beschreiten, nichts lernen könnte: im Gegenteil. Aber bei Meilenstein 15 einen Thron an den Wegesrand zu bauen und zu sagen: „Damit ich Dir sage wie Du zu Meilenstein 10 kommst, musst Du meine Füße küssen,“ gehört für mich ins Mittelalter. Diese Struktur brauchen wir nicht mehr.
Ich will damit nicht sagen, dass wir alle gleich sind. Nein, wir sind alle unterschiedlich und jeder ist einzigartig. Das heißt, ich kann von jedem einzelnen von euch lernen und tue das häufig auch. Ich habe von Euch nicht gelernt, wie man entflammt; ich hab mein Feuer woanders angezündet. Aber gelernt habe ich von euch – auf vielen Ebenen. Und natürlich kann jeder von euch von meinen Erfahrungen profitieren.
Sicherlich: Bei meinen Seminaren und ähnlichem bestimme ich, wo es lang geht und was wir als nächstes tun. Aber die feudalistische Struktur, mit mir als Lehrer auf einem Podest und dir mindestens eine Stufe niedriger, ist nicht mehr up-to-date. Ich mache ständig die Erfahrung: Wenn jemand in irgendeinem Ego-Film steckt und ich werde still und überlasse der Liebe und dem Respekt das Ruder, dann wird mein Gegenüber ganz von selbst wach und sieht, was er tut. Und dann hab ich natürlich viel auf dem Weg gelernt, den ich gegangen bin, so dass ich vielleicht den einen oder anderen Kniff nutze, um das noch ein bisschen deutlicher zu machen. Aber das tue ich nur, wenn mich die Liebe dazu veranlasst oder Du es aus mir herausziehst.
Ich habe keine besonderen Absichten und will im Grunde nicht, dass irgendeiner irgendwo hingeht, wo er nicht schon ist. Wenn ich jemanden mit den Augen dieser Liebe ansehe und der spult irgendeinen Film ab, dann ist nichts in mir, das diesen Film stoppen will. Ich sehe vielleicht - meistens sogar - dass er oder sie weit glücklicher ohne Film wäre, aber dass heißt noch lange nicht, dass ich ihn unterbreche. Dieser Film und die Ego-Struktur, die ihn abspult, beeinträchtigen diese Liebe nicht; es ist vielmehr umgekehrt: Wo diese Liebe ist, kann keine Vereinnahmung – die Hauptaktivität des psychischen Systems, dass man Ego nennt – mehr stattfinden. Wir brauchen die feudalistische Struktur nicht mehr, um das Ego bescheiden zu machen, wir machen es mit Liebe und Respekt.

Weil es den Menschen in der heutigen Zeit leichter fällt, ihre Seele in einem nicht-feudalistischen Kontext zu entzünden, ist die Zeit für diese Revolution gekommen. Denn eines der Probleme der Lehrer-Schüler-Beziehung besteht darin, dass diese Struktur fast notgedrungen zu einem Realitätsverlust führt : der Lehrer verliert ganz leicht den Kontakt zu der Wirklichkeit, in der die meisten seiner Schüler leben, weil diese sich ihm nicht mehr nähern können wie ihresgleichen. Noch ganz abgesehen von dem Missbrauch, der in einer solchen Struktur sehr leicht und den Schülern leider kaum auffällt. (Dabei kann man an die Inquisition denken oder an islamisch genannten Terror, aber auch an Sheelas 'Faschismus' in Oshos Buddhafeld in Oregon; all dieser Missbrauch im Namen Gottes oder der Erleuchtung wird gefördert durch feudalistische Strukturen, die nicht hinterfragt werden dürfen.)
Das alles hat die Übertragung der heiligen Flamme in der Vergangenheit nicht behindert, denn dafür ist es ja lediglich nötig, dass das Feuer im Lehrer brennt und der Schüler bescheiden genug ist, seine Seele daran zu entzünden. Aber - und damit spreche ich etwas an, dass mir außerordentlich wichtig ist - der feudalistische Kontext, in dem die Flamme übertragen wird, wird immer auch zugleich mit dieser transportiert. Das verdanken wir unserer Psyche: Wir übertragen Inhalte sehr leicht auf die Form, in der uns dieser Inhalt begegnet. Jede Struktur, in der das heilige Feuer brennen kann, wird von diesem geheiligt und im Laufe der Zeit wird sie für Schüler und sogar für den Lehrer deshalb fast so heilig wie das Feuer selbst.
Angenommen wir würden im christlichen Kontext tiefe, mystische Erfahrungen machen, dann würden wir diesen damit heiligen. Wir würden die Form der Anbetung, die christliche Lehre, die kirchliche Hierarchie, in der wir unsere 'göttliche Erfahrung' gemacht haben, ganz selbstverständlichen als Bestandteil unserer 'heiligen Offenbarung' betrachten, als den Leib unseres heiligen Geistes, sozusagen.
Oder angenommen, wir machen unsere tiefe spirituelle Erfahrung im Kontext des Buddhismus. Dann würden wir unsere spezielle Form des Zen, des Vajrayana oder Theravada - um ein paar buddhistische Schulen zu nennen - für die bestmögliche halten. Wir würden die Form mit dem Inhalt identifizieren, ganz einfach weil wir das Licht in dieser Form erblickt haben und sprechen fürderhin wahrscheinlich mit dem Brustton der Überzeugung von der Erhabenheit des Buddha, Sangha und Dharma.
Und es ist unvermeidlich, dass die meisten der vielen Menschen, die in meiner Gegenwart spirituelle Erhellungen erleben, dazu übergehen, die Strukturen und Muster, die wir hier geschaffen haben, für fast genauso sakrosankt zu halten, wie die Erfahrung an sich. Wer mystische Erfahrungen macht, erfährt dabei meist auch so etwas wie eine enorme Autorität, sie haben etwas Göttliches an sich - so zumindest fühlen es viele. Sie verschaffen einem das Gefühl, eine überragende oder fundamentale Wahrheit zu erfahren, einen allumfassenden Sinn, unendliche Schönheit, Seligkeit und ähnliches mehr. All dies wird, wenn man nicht darauf achtet, unmittelbar auf die Form übertragen, in der das sich manifestiert.
Natürlich: die Erfahrung an sich - sofern sie wirklich tief oder mystisch ist - transportiert uns in eine Dimension jenseits aller Form, aber wir kehren fast immer in jene Form zurück, aus der wir 'gestartet' sind und bringen das heilige Feuer dorthin mit. So gehen das Formlose und die Form eine Verbindung ein und das Formlose 'heiligt' gewissermaßen die Form. Aber je häufiger man sich in der formlosen Dimension aufgehalten hat, desto mehr Gewissheit und Vertrauen gewinnt man, dass das Formlose tatsächlich und erfahrbar alle Formen heiligt - bedingungslos.
All diese Erfahrungen und Erkenntnisse sind der Anlass für diese Revolution, die ich vorschlage und die wir in der Serenity Community leben; eine Revolution, in der wir die althergebrachte feudalistische Struktur und das einseitige Lehrer-Schüler-Gefälle hinter uns lassen. Denn ganz abgesehen von allem, was ich weiter oben ausgeführt habe, möchte ich diesen Aspekt ganz besonders hervorheben: Mit dieser Revolution heiligen wir den Kontext der Liebe und des Respekts; jene Struktur, in der Lehrer und Schüler, Lernende und Lehrende auf dem gleichen Weg gehen und einander mit Liebe und Respekt begegnen – und wir laden diesen Weg mit unserem heiligen Feuer auf, auf dass er uns durch neue, fruchtbare Landschaften tragen möge.
Seit Urzeiten fand die Übertragung der heiligen Flamme in dem Kontext statt, den ich feudalistisch genannt habe - und, wie wir wissen, brennt dieses Feuer noch heute. Ich weiß nicht, wie gut die revolutionäre Struktur von Liebe und Respekt die heilige Flamme weiter tragen kann. Das werden wir erst in ein paar hundert Jahren wirklich wissen. Aber ich sehe schon hier und heute das heilige Feuer im Kontext von Liebe und Respekt fließen und das stimmt mich außerordentlich zuversichtlich.

Gott sitzt nicht auf einem Thron.
Er ist nicht einmal das Zentrum, um das alles sich dreht.
Falls es für Gott ein Wo gibt,
dann ist dies überall und alles
und jeder ist Seine Heimat.
Auch Du!

 

 
       
 
     
     
 
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